Umgang mit Tod und Trauer

Es ist fast unmöglich, einem Trauernden, der einen geliebten Menschen verloren hat, einen „weisen“ Rat zum „gelassenen“ Umgang mit seiner Trauer zu erteilen. Und selbst Stoiker, die Gelassenheit in jeder Lebenslage propagieren, werden angesichts von Tod und Trauer nachsichtig sein: Jeder von einem Todesfall betroffene Mensch darf Trauer empfinden! Natürlich darf er das! Aber die Stoiker möchten dabei helfen, sich nicht auf Dauer von der Trauer gänzlich überwältigen und dadurch sein Leben vergällen zu lassen. Damit dies gelingen kann, bieten die Stoiker drei praktische Ansatzpunkte für den Umgang mit Tod und Trauer an.

1. Sei vorbereitet!

Die Stoiker empfehlen, sich den (möglichen) Tod geliebter Menschen schon im Vorhinein immer wieder einmal zu vergegenwärtigen. Wenn man dieses Gedankenexperiment („praemeditatio malorum“) ernsthaft versucht, ist so etwas eine schmerzhafte Prozedur. Aber was bringt es – außer dem Schmerz? Man sollte nicht glauben, man könne sich dadurch „abhärten“ oder gar an den Gedanken des Verlustes gewöhnen. Stoiker sind keine herzlosen Monster! Aber durch das „Gedankenspiel“ erscheint der Tod nicht mehr als etwas Unvorstellbares, ganz und gar Undenkbares, dessen Erscheinen einen dann im Ernstfall aus der Bahn wirft, sondern als etwas Bekanntes, was zu erwarten war.

Genauso wichtig ist aber, dass wir uns durch die Vergegenwärtigung des Verlustes geliebter Menschen immer vor Augen halten, dass die Beziehung jederzeit zu Ende sein könnte. Dies soll keine Angst machen. Vielmehr sollen wir uns selbst ermahnen, in unserem Verhältnis zu geliebten Menschen nichts Wichtiges ungesagt oder ungetan zu lassen, nicht zu lange zu warten, um unsere Liebe zum Ausdruck zu bringen. Es bedeutet nicht, auf Strenge oder Konflikte zu verzichten, aber eine wichtige Klärung offener Fragen, Streitpunkte oder Missverständnisse in unseren Liebesbeziehungen nicht zu lange aufzuschieben.

Zur Vorbereitung auf den Tod gehört also auch, dass du „alles was du tust, mit dem Gedanken tust, dass dies die letzte Handlung deines Lebens sein könnte“ (Mark Aurel)

 

2. Empfinde Dankbarkeit!

Sich den Tod zu vergegenwärtigen – memento mori – hat auch zur Folge, dass unser Streben nach materiellen Werten (Reichtum und Vermögen, Anerkennung und Ruhm) relativiert wird und an Bedeutung verliert. Es gerät dagegen mehr in den Fokus, was wir – im gegenwärtigen Augenblick – bereits haben. Dazu gehört insbesondere das Verhältnis zu geliebten Menschen, für das wir – solange es andauert – tiefe Dankbarkeit empfinden sollten. Dann gelingt es uns auch vielleicht eher, nach ihrem Tod weniger den großen Verlust zu beweinen und mehr die erfüllende gemeinsame Zeit zu würdigen. Mit dieser Einstellung lässt sich dann auch wieder besser erkennen, welche geliebten Menschen einem geblieben sind, um sich mit ihnen zu umgeben und die Aufmerksamkeit – voller Dankbarkeit – wieder auf die Lebenden zu konzentrieren.

3. Sei zum Neuanfang bereit!

Es ist wohl das Schwierigste angesichts des Todes: den Neuanfang zu wagen. Dies ist zunächst keine Frage des Tuns, sondern des Verstehens. Es gilt nämlich zu verstehen und zu akzeptieren, dass alles Leben in einem permanenten Wandel begriffen ist und dass es keinen Stillstand gibt. So ist es keine Verheißung, sondern eine schlichte Tatsache, dass der Tod nicht nur ein Ende, sondern immer gleichzeitig auch ein Anfang für etwas Neues ist. Oft erstarren Hinterbliebene in Trauer, weil sie sich – von Schuldgefühlen geplagt – nach dem Tod eines geliebten Menschen selbst bestrafen wollen oder glauben, dass sie kein Glück mehr verdienen. Jedoch gehört Veränderung unabdingbar zum Leben. Auch durch den Verlust eines geliebten Menschen werden sich die Beziehungen zu anderen Menschen verändern und neue Beziehungen entstehen. Die Stoiker haben dies erkannt. Versuchen also auch wir zu erkennen, dass sich, wenn sich eine Tür schließt, immer eine neue Tür öffnet! Wir müssen nur bereit sein, hindurchzugehen!

1 Kommentar

  1. Ein schwieriges Thema.

    Wer spricht schon gerne über den Tod?
    Wer gestattet sich schon gerne, über den Tod eines geliebten Menschen nachzudenken…?
    Wer gesteht sich gerne ein, darüber nachgedacht zu haben?
    Ich selbst habe mir es schon vorgestellt und gedacht, somit vielleicht Grenzen zu überschreiten und etwas in irgendeiner Form „heraufzubeschwören“.
    Man sieht wie sensibel dieses Thema ist und wieviel da auch die Erziehung mitspielt.
    „Darüber spricht man nicht!“
    Ich bin sehr dankbar, dass ich mich tatsächlich getraut habe, mit meinen Eltern darüber zu sprechen und damit auch Erkenntnisse gewonnen habe, wie meine Lieben darüberdenken und welche Vorstellungen sie haben.
    Und einiges war neu für mich!
    Es ist wichtig, auch schon vorher Themen anzusprechen und damit „vorbereitet“ zu sein…nein, es ist das falsche Wort…hm…und damit mehr Klarheit für meinen Weg zu gewinnen.

    „Was heißt ›sterben‹? Gib doch dem Vorgang keinen so tragischen Namen, sondern sag einfach, wie es sich tatsächlich verhält: Es ist nun Zeit, dass der Stoff wieder in die Teile zerfällt, aus denen er zusammengesetzt wurde. Und was ist furchtbar daran? Was kann denn Neues, Vernunftwidriges entstehen?“(Epiktet)

    Ich möchte auch hier weiter für mich üben, um der Mensch zu werden, der ich sein möchte.

    LG Greta

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