Kennen Sie folgenden Witz? … Aber Halt! Sollten Stoiker überhaupt Witze erzählen? Nun, manche Stoiker wussten durchaus einen guten Witz zu schätzen. Allerdings würden sie davor warnen, über eine andere Person zu lachen, die wir ebenso gut selbst sein könnten. Insofern sei vor dem folgenden Witz gewarnt, den der Psychotherapeut und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick erzählt (in seinem berühmten Buch „Anleitung zum Unglücklichsein“):
Unter einer Straßenlaterne steht ein Betrunkener und sucht und sucht. Ein Polizist kommt daher, fragt ihn, was er verloren habe, und der Mann antwortet: “Meinen Schlüssel.“ Nun suchen beide. Schließlich will der Polizist wissen, ob der Mann sicher ist, den Schlüssel gerade hier verloren zu haben, und jener antwortet: “Nein, nicht hier, sondern dort hinten — aber dort ist es viel zu finster.”
Nach einem spontanen Lachen kann man leicht ins Grübeln geraten: Geht es uns nicht oft genauso? Was wir im Leben suchen, finden wir nicht, weil die Dinge, die im grellen Licht der Aufmerksamkeit stehen, uns nicht wirklich weiterhelfen. Autos, Häuser, Reisen … sie stehen hell erleuchtet auf dem Podest der erstrebenswertesten Dinge im Leben. Aber den Stoikern war immer klar: Unsere Suche nach Sinn kann nicht durch ein neues Auto befriedigt werden. Und unser Streben nach Glück findet seine Erfüllung nicht durch ein großes Haus. Und selbst die längste Fernreise bringt uns echter Lebenszufriedenheit keinen Schritt näher. Die Stoiker verachten materielle Dinge nicht, die bei uns so im Fokus stehen, sie finden sie schlicht „indifferent“ – unerheblich.
„Ich will Reichtümer, mag ich sie haben oder entbehren, gleichermaßen verachten. Ich bin weder traurig, wenn ich sie anderswo aufgehäuft sehe noch bin ich mutiger, wenn sie um mich her schimmern.“ (Seneca)
Um den Schlüssel zum Lebensglück zu finden, muss man eher in verborgenen Winkeln suchen und – um noch einmal den Witz vom verlorenen Schlüssel zu bemühen – auch dunkle Ecken ausleuchten. Aber wie bringt man Licht in die Angelegenheit? Dies erfordert zunächst, dass man aufrichtig ist – zu sich selbst wie zu anderen. Dazu bedarf es einer Haltung der Aufrichtigkeit, die gelebt wird. Dagegen warnt Mark Aurel vor Menschen, die bloß floskelhaft beteuern, „jetzt mal ganz ehrlich“ zu sein.
„Wie verdorben und verlogen ist ein Mensch, der behauptet, jetzt mal aufrichtig sein zu wollen. Was hast du im Sinn, werter Freund? Das sollte nicht einer Ankündigung bedürfen, sondern bereits zu sehen sein, als ob es auf deiner Stirn stünde, am Klang deiner Stimme zu erkennen, an deinem Blick, ganz so, wie ein Liebender am Glanz der Augen seines Gegenübers erkennt, dass er geliebt wird. Kurzum, ein ehrlicher und aufrichtiger Mensch sollte wie eine streng riechende Ziege sein – du weißt sofort, mit wem du in einem Raum bist.“
Mark Aurel macht Mut zur Aufrichtigkeit, auch wenn wir riskieren, wie „eine streng riechende Ziege“ wahrgenommen zu werden. Damit mögen wir manchmal unangenehm auffallen, aber man weiß, woran man ist. Und ein weiterer positiver Nebeneffekt ist: Aufrichtige Menschen werden den Schlüssel nicht unter Laternen suchen, nur weil es dort heller und leichter zu suchen ist.
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